Evaluierung des Aktionskomitees zum Thema Schwangerschaftsabbruch in Tirol

Um die aktuelle Situation hinsichtlich der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs für Frauen, die in Tirol leben, zu evaluieren, arbeitete das Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch zu Beginn dieses Jahres einen Fragenkatalog aus. Dieser wurde auf einzelne Zielgruppen abgestimmt und sollte   so der ursprüngliche Plan   an GynäkologInnen, praktische ÄrztInnen, Beratungseinrichtungen und Frauen, die bereits eine Schwangerschaft in Tirol abbrechen ließen, ausgeschickt werden. Wir erhofften uns dadurch einen ausreichenden Rücklauf von relevantem Datenmaterial, welches uns ein klares Bild zur Situation von Tiroler Frauen im Hinblick auf einen Schwangerschaftsabbruch in Tirol liefern sollte.

Nach eigenen Überlegungen und dem fachlichen Austausch mit ExpertInnen aus der Praxis kamen wir jedoch rasch zur Erkenntnis, daß es uns auf diese Weise nicht gelingen würde, zu wissenschaftlich sauber erhobenen, aussagekräftigen Daten für Tirol zu kommen. Eine Bedarfserhebung zu einem so tabuisierten Thema würde zwangsläufig eine hohe Dunkelziffer nicht erfassen.

Das Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch beschloss daraufhin, sich dem Thema auf andere Weise zu nähern. So fuhr eine Delegation des Aktionskomitees Schwangerschaftsabbruch zu einem bereits umgesetzten „best-practice-Beispiel“ für ambulante Schwangerschaftsabbrüche, zur Gynmed-Ambulanz nach Salzburg.

Im Gespräch mit dem Leiter der Gynmed-Ambulanz, Dr. Christian Fiala, sowie der dort tätigen Psychologin Mag.a Petra Schweiger erfuhren wir einige sehr interessante und auch für Tirol relevante Fakten.

  • Der Eingriff des Schwangerschaftsabbruchs wird im Gynmed mit den schonendsten Methoden, die auf den neuesten internationalen Forschungsergebnissen basieren, angeboten.
  • Zumeist können die Frauen die Ambulanz bereits kurze Zeit nach dem Eingriff wieder verlassen, ohne mit Folgeschwierigkeiten rechnen zu müssen.
  • Es gibt in der Ambulanz die Möglichkeit eines oder mehrere psychologische Gespräche in Anspruch zu nehmen, sollte sich die Frau in einem Schwangerschaftskonflikt befinden und die Situation alleine oder mit ihrem Partner reflektieren wollen.
  • Fakt ist jedoch, dass die allermeisten Frauen ihre Entscheidung einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen zu wollen, bereits VOR ihrem Besuch der Gynmed-Ambulanz getroffen haben.
  • Es kommen auch Frauen aus Tirol, die in Salzburg einen Schwangerschafts-abbruch vornehmen lassen.
  • 60% der Frauen, die im Gynmed-Ambulatorium Salzburg einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, haben bereits ein oder mehrere Kind/er. Das heißt, Frauen entscheiden sich nicht generell gegen Mutterschaft, sie können nur sehr genau einschätzen, was es bedeutet, ein Kind großzuziehen. Sie übernehmen somit die Verantwortung dafür, wie viele Kinder sie verantwortungsvoll in ein gutes Leben hineinbegleiten können und wollen.
  • Aufgrund der kostengünstigen und wohnortnahen Versorgung kommen die Frauen sowohl aus der Stadt, als auch aus dem gesamten Bundesland.
  • Die Tendenz geht dahin, dass Frauen immer früher in der Schwangerschaft kommen, um diese abbrechen zu lassen. Das bedeutet, daß es immer weniger Spätabbrüche gibt.
  • Laut den Ergebnissen des jüngsten österreichischen Verhütungsreports verhüten im Durchschnitt 77% der fruchtbaren österreichischen Bevölkerung. Salzburg liegt mit 82% im Bundesländervergleich ziemlich weit vorne, während Tirol mit 70% Verhütungswilligen nur die drittletzte Stelle belegt.
  • Nach einem Schwangerschaftsabbruch nehmen Frauen/Paare ihre Verhütung generell ernster. Durch gezielte Aufklärung über die jeweils individuell effizientesten Methoden wird Frauen in der Gynmed – Ambulanz Salzburg ermöglicht, zukünftig ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.
  • Für Frauen, die in Salzburg Stadt wohnen und die im Mindestsicherungsbezug sind, erfolgt die Finanzierung/Abrechnung der Kosten für einen Eingriff über das Sozialamt der Stadt Salzburg. Damit wird zumindest im städtischen Bereich sichergestellt, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht zu einer Frage des Einkommens wird.

Trauriges Faktum in Tirol ist, dass seit Beginn des Jahres 2014 nur mehr ein (!) niedergelassener Frauenarzt in Innsbruck die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches überhaupt anbietet. Da dieses Angebot zudem nur sehr hochpreisig zu haben ist, stellt es für viele der betroffenen Frauen keine bzw. eine nur unter größtem Aufwand zu realisierende Möglichkeit dar, in Tirol einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen.

Zu den Zahlen:

Als Bundesländer mit sehr ähnlichen Bedingungen, kann man davon ausgehen, dass Tirol durchaus mit Salzburg zu vergleichen ist. Da für Salzburg bereits aussagekräftiges Datenmaterial vorliegt, ist es zulässig diese Zahlen aliquot auf Tirol umzulegen.

So hat Salzburg ca. 534.000 Einwohner, Tirol hingegen ca. 700.000.

In Salzburg verhüten rund 82% der fruchtbaren Erwachsenen, in Tirol hingegen lediglich 70%.

In Salzburg werden rund 800 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr durchgeführt. Rechnet man diese Zahl aliquot der EinwohnerInnenzahl auf Tirol um, so ergeben sich für Tirol rund 1.050 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Salzburger Angebot nicht ausschließlich von Frauen, die in Salzburg leben, in Anspruch genommen wird, so verlangt diese „Prognose“ für Tirol möglichst rasch nach einer effizienten Lösung, um auch für Tiroler Frauen ein Ambulatorium oder eine Ambulanz für Schwangerschaftsabbrüche, das/die nicht gewinnorientiert arbeitet und dadurch ein kostengünstiger Anbieter sein kann, einzurichten.

Zusätzlich sei erwähnt, daß es in Österreich nur Krankenanstalten erlaubt ist, einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Diese Tatsache nimmt den Staat in die Verantwortung, zumindest den medikamentösen Abbruch an öffentlichen Krankenhäusern anzubieten.

Empfehlungen des Aktionskomitees Schwangerschaftsabbruch:

Das Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch hält es für sinnvoll, sich weitere „best-practice-Beispiele“ genauer anzusehen, um die Bandbreite an Möglichkeiten besser erfassen zu können und von den Erfahrungen der dortigen MitarbeiterInnen für Tirol profitieren zu können.

Hierfür bieten sich an:

Das Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch möchte darüber hinaus dazu anregen, einen runden Tisch zu organisieren. An diesem runden Tisch sollten politisch Verantwortliche, Entscheidungsträger der Universitätsklinik Innsbruck, GynäkologInnen, Dr. Wolf – der als einziger Arzt in Tirol Schwangerschaftsabbrüche anbietet, sowie Vertreterinnen des Aktionskomitees Schwangerschaftsabbruch teilnehmen. Das Ziel dieses Treffens soll sein, das für Tirol beste Modell zu erarbeiten und anschließend zu realisieren.

für das Papier verantwortlich:
Michaela Moser und Doris Stauder für das Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch

Wir fordern:

  1. Fundierte Aufklärung zu den Themen Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft an Schulen und Erwachsenen­bildungs­einrichtungen.
  2. Kostenübernahme von Verhütungsmitteln durch Sozialversicherungsträger.
  3. Kostenlose bzw. leistbare und leicht zugängliche Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch für alle Frauen, die sich dafür entschieden haben (beispielsweise an öffentlichen Krankenhäusern, Ambulatorien oder bei niedergelassenen ÄrztInnen).
  4. Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch.